Backesbank, Backhaus im Niederdorf und Gastwirtschaft Bruch

Bitte Platz nehmen! Jedermann ist herzlich eingeladen auf der Sitzgruppe, die „Backesbank“ getauft wurde, Platz zu nehmen.

Der Namensgebung der Bank entspringt dem Wunsch, an den hier früher stehenden Backes zu erinnern. Weiter unten erhalten Sie Informationen über die Geschichte des Backhauses und des gegenüber liegenden Gebäudes, der ehemaligen Gastwirtschaft Bruch.

2009 startete hier das Projekt „Backesbank“. Eine Anliegerin hatte die Idee zu einer Bank an dieser Stelle und der Bürgerverein Unglinghausen setzte diese durch die Installation einer Bank um. 2011, im Zuge der Teilnahme am Kreiswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ nahmen Anlieger Hacke und Schaufel in die Hand und gestalteten das Gelände bei der Bank neu. Die Sitzmöglichkeit wurde so rege genutzt, dass 2017 von Anliegern / Nachbarn ehrenamtlich eine größere Sitzgruppe in Eigenbau erstellt wurde.

Für das Dorfjubiläum 2019 wurden dann nicht nur viele Wegweiser aus Holz gebastelt sondern auch ein Schild mit einer von einer Nachbarin angefertigten Zeichnung des alten Backhauses. Das Schild informiert über den Standort des ehemaligen Backes. Der ebenfalls abgebildete QR-Code ermöglicht es nun Informationen zur Bank, zur Historie des alten Backhauses und der ehemaligen Gastwirtschaft Bruch zu erhalten. Damit niemand alleine sein muss, sitzt seit 2019 „Dorfma Walder“ unentwegt in wechselnder Bekleidung hier. Die Bank entwickelte sich zum beliebten Selfie-Point am Netphener Radweg, ganz besonders während der Zeit der Corona-Virus-Pandemie. 2020 belegte die Nachbarschaft „Backesbank“ für ihr Engagement den 3. Platz bei der Verleihung des Heimatpreises der Stadt Netphen.

2008

2011

2011

2017

2017

2019

2019

2019

2020

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Backhaus im Niederdorf

Im Siegerland werden die Backhäuser gemeinhin „Backes“ genannt.  In Unglinghausen gab es früher drei Backhäuser. Zwei standen im Oberdorf von Unglinghausen und eines im Niederdorf. Der Standort im Niederdorf lag etwas oberhalb des Abzweiges der Straße „Vor der Hurth“ von der „Herzhausener Straße“.

 

Wann die ersten „Backeser“ in Unglinghausen entstanden sind, kann nicht genau gesagt werden, möglicherweise bereits  nach 1562, als der für Unglinghausen zuständige Landesherr von Nassau-Siegen, Johann VI., in einer Holz- und Waldordnung in §21 bestimmte, in jedem Dorf seiner Herrschaft „gemeine Backöfen an einem feuerfreyen Orte“ einzuführen. Es sollte eine gemeinsam zu nutzende Backstelle errichtet werden, die holzsparend betrieben werden konnte und etwas abseits der Häuser stand um eine Brandgefahr im Dorf möglichst zu verringern. In der Regel wurden sie nahe eines Bachlaufes errichtet, da während des Backvorgangs Wasser benötigt wurde.

Bild: Ein Teil der „Gasse“ (heute „Herzhausener Straße“) um 1930, links das kleine Backhaus, rechts die Gaststätte Bruch mit Laube. Im Vordergrund des Bildes sieht man das Brückengeländer und die schnurgerade von links nach rechts verlaufende Böschung des Unglinghäuser Baches.

Der „Backes“ für Niederunglinghausen stand am Ende der Gasse, noch bis in die siebziger Jahre. Er wurde als letzter der drei Backhäuser Unglinghausens abgerissen. Zum Zeitpunkt des Abrisses soll er vom Ofen her noch völlig intakt gewesen und bis dahin auch noch vereinzelt genutzt worden sein. Grund für den Abriss waren wohl unvollständige Seitenwände, welche eine Gefahr für spielende Kinder hätten sein können, sowie der äußerliche Allgemeinzustand, der nicht mehr ins Ortsbild passte.

Unser „Backes“ hier entsprach den allgemeinen Beschreibungen von Backhäusern im  Siegerland, so wie sie in der umfangreichen Literatur beschrieben werden: „Diese Backhäuser, sind in der Regel eingeschossige Fachwerkgebäude mit Spitzdach und aufragendem Ziegelschornstein. Das Dach ist mit Blech, Schiefer oder Pfannen eingedeckt. Unter dem Giebeldach oder im angebauten Seitenraum können Schanzen und Stecken zum Trocknen gelagert werden. Die eigentliche Backzelle hat eine Arbeitshöhe von ca. 1,50 m über dem Boden und ist oben mit einem gemauerten Halbrundgewölbe versehen. Vorne verschließt eine Eisentür den Feuerungsraum, daneben wird über ein Thermometer die Temperatur im Ofeninneren überwacht.“

Zum Schutz der Fachwerk-Außenwände wurde manchmal ein Teil des Gebäudes mit Holzbrettern, Schiefer oder Blech verkleidet. Auch bei dem Backes hier wurden Außenwände später verkleidet, wie man auf den Fotos sehen kann.

Die Backhäuser wurden, wie vorgesehen, gemeinschaftlich, genossenschaftlich genutzt. Ein Bürger aus dem Niederdorf beschrieb die Organisation des Backtages so:

„Wer nun beabsichtigt, in den nächsten Tagen Brot oder Kuchen zu backen, der holt sich den Backesschlüssel und erfährt so, wer noch mitmacht. Einer von diesen Interessenten muss nun den Backes einheizen. Zum Anheizen benötigt man selbstgemachte Reisig-Schanzen, danach wird mit Knüppelschanzen weiter gestocht. Hat der Ofen laut Thermometer seine Hitze erreicht, werden die restlichen Glutrückstände mit dem angefeuchteten Ginsterbesen (Wösch) beiseite gekehrt. Inzwischen sind die zu Hause gefertigten Brotlaibe oder Kuchen per Schubbock oder auf der Schulter im Backes angelangt und auf seitlich angebrachten Brettern abgelegt.

Bild oben: Familie Schröder aus dem Oberdorf mit den geformten Broten auf dem Weg zum Backes im Oberdorf.

Vor dem Einschießen wird der Brotlaib obenauf noch mit Wasser eingebürstet, damit die spätere Kruste schön glänzt und hart wird. Mit dem hölzernen Schöwel (Auflagebrett mit langem Stiel) wird das Backgut mit einem gezielten Ruck an die günstigste Stelle im Ofen platziert. Nach ständiger Beobachtung des Thermometers und einer gewissen Erfahrung hat das Backgut seine Backzeit erreicht. In Körben wird das noch warme und duftende Brot oder das Kuchenblech nach Hause gebracht. Derweil hat der Heizer noch den Ofen und den Vorraum zu säubern, damit auch der Nächste die Anlage mit Freude übernehmen kann. Der letztgenannte Vorraum wird auch gerne mangels anderer Möglichkeit im Ort zu gewissen Treffen oder Tagungen genutzt. Während der Ofen noch seine Restwärme spendet, hat in seiner Nähe gewiss manch schönes Plauder- oder Schäferstündchen stattgefunden.

Nachdem nun die Nebenerwerbslandwirtschaft und der Getreideanbau fast zum Erliegen kommen, besteht kein oder nur noch vereinzelt Interesse am Erhalt von Backhäusern. Darüber hinaus ist es ein Problem geworden, den zur Herstellung des Brotteiges notwendigen Sauerteig (eingesalzener Teig vom letzten Backtag) möglichst frisch zu bekommen, da keine anderen Backinteressenten mehr da sind.“ So beschreibt es ein Bürger aus dem Niederdorf.

Bild oben: Der Backes, Bildmitte, in den siebziger Jahren, rechts die Gastwirtschaft Bruch

Bild unten: Was folgte, war der Abbruch des Gebäudes in den 1970er Jahren.

 

 

Zumindest Geselligkeit und Gemeinschaft bestehen jedoch weiter!

Durch gemeinsames, nachbarschaftliches Engagement entstand an dieser Stelle die „Backesbank“. Sie lädt nunmehr Jedermann zum Verweilen und zu einem kleinen Plausch ein.

Der „Backes“ und seine Bedeutung für Niederunglinghausen bleiben unvergessen. Der 1879 im Ort geborene und später in Buschhütten wohnhafte August Klein verfasste ein Gedicht über das Backhaus in Unglinghausener Platt:

 

Frei übersetzt:

*Mäckeser, Bedeutung

  • früher: Durchreisende Hausierer, Verkäufer
  • heute: Schimpfwort (für Menschen mit schlechtem Charakter)

 

Bild mit verblasstem Schriftzug einer Wahlwerbung aus dem Jahr 1932.

 

 

 

 

 

 

Zwei Bilder unten: Das Backhaus rechts, ca. 1960

Bild unten: Anlässlich des Feuerwehrjubiläums 1987 erinnerte ein Unglinghausener Ehepaar aus der Herzhausener Straße an die Backhaus-Tradition:

 

Die Gastwirtschaft Bruch

Das Haus Herzhausener Straße 6 beherbergte über einhundert Jahre lang, bis zum Jahr 2000 die Gastwirtschaft Bruch.

Die Gaststätte wurde von vier Generationen der Familie Bruch geführt. Während der langen Zeit des Bestehens wurden in den Gasträumen Getränke und einfache Speisen angeboten. Neben dem normalen Gaststättenbetrieb war die Wirtschaft für verschiedene Vereine das Vereinslokal, zudem fanden ungezählte Familienfeiern von Kunden hier statt.

Erster Gastwirt und Gründer des Familienbetriebes war Robert Bruch, geboren 1857 in Ober-Unglinghausen. Gemeinsam mit seiner Frau Wilhelmine hatte er das 1846 erbaute Haus am Ende des 19. Jahrhunderts von Katharina Schür übernommen. Der noch heute gebräuchliche Hausname „Schür“  liegt dem Namen dieser Vorbesitzerin zugrunde.

Bild: Postkarte ca. aus dem Jahr 1906.

Das alte Protokollbuch des Gesangvereins Viktoria Unglinghausen enthält zwei Abrechnungen über die Getränke, welche Robert Bruch im Jahr 1896 und 1897 für den Gesangverein geliefert bekam. Seinerzeit wurde Irle-Bier angeboten.  Ein Blick auf die Rechnungsliste unten gibt Aufschluss über weitere Getränke wie „Korn- und Kümmelbrannt, Wacholder- und Fruchtbrannt“, Rum, Cognac und „Bitterer“.

Aus dem Jahr 1909 und 1910 datieren die unten abgebildeten Eintragungen in den Hauptakten des Amtes Netphen über die Zahl von Gast- und Schankwirtschaftsbetrieben sowie Kleinhandel mit geistigen Getränken.

Für Unglinghausen wird hier lediglich eine Gastwirtschaft ausgewiesen. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um die Gastwirtschaft Robert Bruch handelt.

 

In zweiter Generation übernahm der älteste Sohn Ewald Bruch, geboren 1883 mit seiner Frau Berta die Gaststätte seines Vaters Robert. Die Postkarte unten datiert aus dem Jahre 1920.

Auf dem nachfolgenden Bild ist die Gaststätte Ewald Bruch ca. 1926 zu sehen.

Das Wohn- und Wirtshaus wurde unter der Regie von Ewald Bruch mehrfach an- und umgebaut. Ewald Bruch verstarb nach schwerer Krankheit früh, nur wenige Jahre nach seinem Vater Robert, im Jahr 1939. Sein ältester Sohn Walter, geboren 1912 übernahm gemeinsam mit seiner Frau Hedwig Bruch die Gaststätte.

In der Nachkriegszeit lief das Geschäft wieder an und in den fünfziger Jahren herrschte reger Betrieb. Nachdem zunächst Getränke und Bier der Irle-Bauerei in der Gaststätte angeboten worden waren, wurde ab 1957 das Bier von der Dortmunder Ritter-Brauerei geliefert. Im Saal wurde samstags viel getanzt und oft spielte eine Musikkapelle/Zweimann-Kapelle auf. An den Wochenenden wurden auch Speisen wie Kotelett und Schnitzel angeboten.

Drei Bilder oben: Gebäude, Gastraum und Saal, ca. 1958

1980 übernahm Dieter Bruch das Elternhaus und die Wirtschaft von seinem Vater Walter. Er führte die Gaststätte nebenberuflich gemeinsam mit seiner Ehefrau Bärbel.

Im Dorf gibt es sicherlich noch etliche Bürger die sich gerne an ihren Besuch in der Gastwirtschaft erinnern. Die Gaststätte Bruch war kein Restaurant. Neben den Getränken gab es jedoch auch ein kleines Speisenangebot. Strammer Max, Würstchen mit Brot oder Eisbein in Aspik mit Brot fanden ihre Abnehmer. Für Musik sorgte eine Musikbox.

Die Zeiten änderten sich jedoch, die Zahl der Gäste nahm ab und Vereine verfügten inzwischen auch über ein Vereinsheim bzw. das Bürgerhaus. Im Jahre 2000 wurde die Gastwirtschaft Bruch deshalb geschlossen. Das Gebäude dient heute mit einem weiteren Anbau als Wohnhaus.

Gebäude ca. 1979