Artikel aus der Westfalenpost, Ausgabe Siegen vom 13.08.1955:
Erste Scherben aus der Jung-Steinzeit
Bedeutungsvolle Funde in Unglinghausen – Dr. Beck: „Am Alter kein Zweifel“ – Weitere Ausgrabungen
Unglinghausen. Die WESTFALENPOST/Siegerländer Zeitung berichtete am 30.07. d.J. über die von Dr. Böttger, Weidenau, veranlassten Ausgrabungen am Südhang der Lichtenhardt. Die Vermutung, daß es sich bei den Fundstücken um Scherben aus der Jung-Steinzeit (3.000 bis 18 v. Chr.) handeln könnte, hat sich inzwischen vollauf bestätigt, wie es aus dem Untersuchungsbericht von Dr. Beck, dem Leiter der Außenstelle Arnsberg vom Landesmuseum für Vor und Frühgeschichte hervorgeht.
Ende Juni fand an der Fundstelle eine Besprechung statt, an der außer Dr. Beck noch die Herren Theiß, Siegen, Solms, Gosenbach, H. Stücher, Eichen (Vater) und Hermann Stücher, Ferndorf (Sohn), Amtsdirektor Ermert, Amtsobersekretär Zecher, Bürgermeister Bruch, Unglinghausen, Ewald Reber, Netphen und Diplom-Bibliothekar R. Vitt, Dortmund, teilnahmen. Das Foto zeigt vorne rechts die Fundstelle. Sie befindet sich etwa 300 m westlich vom „Sennerborn“, der Quelle des Unglinghäuser Baches.
Dr. Beck ließ sich von den Herren Stücher (Vater und Sohn) und Solms, Gosenbach, einem Mitarbeiter von Hauptlehrer Krasa aus Gosenbach, eingehend schildern, wann, wie und wo sie die ihm seinerzeit zur Begutachtung eingesandten Scherben gefunden hätten. Sie bestätigten ihm, daß die Scherben in einem alten Schürfloch, etwa 80 bis 90 cm unter der Erdoberfläche, entdeckt wurden. Bei der Nachuntersuchung am 22. Juli durch Hauptlehrer Krasa kamen noch einige Scherbenstücke von der gleichen Art zum Vorschein. Es handelt sich um Teile eines Trinkbechers, mit einem Randdurchmesser von etwa 10,2 cm. Sie befinden sich heute im Siegerland-Museum in Siegen. Dr. Beck schreibt in seinem Bericht: „Die Scherben sind von unverkennbarer jungsteinzeitlicher Machart, sie stammen von einem Gefäß mit weit ausladendem Rand und ziemlich engem Hals, gehören also zweifellos zu einem Becher. Der Schwung von Rand und Hals erinnert an einen Tulpenbecher der Michelsberger Kultur.“ Und an anderer Stelle: „Unter diesen Umständen beansprucht der erste Fund jungsteinzeitlicher Tonwaren besonderes Interesse …“
Wie Dr. Böttger, Weidenau, dazu mitteilt, sind bisher im ganzen rechtsrheinischen Schiefergebirge keine so alten Scherben gefunden worden. Die wissenschaftlichen Stellen sind deshalb an weiteren Grabungen in Unglinghausen stark interessiert. Grabungen können aber leider wegen Überbelastung von Dr. Beck in diesem Jahr nicht mehr durchgeführt werden. Es gilt vor allen Dingen noch zu klären, ob am Südhang der Lichtenhardt eine Siedlung in jener altersgrauen Zeit bestand, ob es sich um ein Grab oder um einen sogenannten Streufund handelt. Auf entsprechende Fragen antwortete Dr. Beck bei der Ortsbesichtigung, daß die Lage für eine Siedlung geradezu ideal sei und daß bezüglich der Alterbestimmung der Scherben keinerlei Zweifel bestehen.
Man hat ein eigenartiges Gefühl, wenn man diese Zeugen aus vorchristlicher Zeit in der Hand hält und sich vergegenwärtigt, daß sie etwa 4000 Jahre alt sind. Von Religionen und Gebräuchen der damaligen Menschen wissen wir nichts. Ihre steinernen Werkzeuge, Waffen und Geräte aber hat die Mutter Erde verwahrt bis auf den heutigen Tag. In Unglinghausen wurden sie bei der Suche nach Eisenerz ans Licht gebracht.